Aus der Kreiszeitung:

 

Bartholomäuskirche Barrien
Kulturgottesdienst zieht in den Bann
Bewegender Briefwechsel zwischen Widerstandskämpfer Helmuth Graf von
Moltke und seiner Frau Freya

Syke-Barrien. Die Gesamtkirchengemeinde Syke-Barrien-Heiligenfelde
hatte jetzt zu einem Gottesdienst eingeladen, der gänzlich aus dem
gewohnten Rahmen fiel. Pastor Christian Kopp begrüßte die
zahlreichen Besucher, darunter auch die Konfirmanden, und stimmte sie
mit den Worten ein: „Wir wollen heute der Vergangenheit ein Gesicht
geben, damit wir der Zukunft entgegensehen können.“ Dann legte er
das weitere Gottesdienstgeschehen in die Hände von Pastor Florian
Schwarz und Sabine Berkefeld. Beide beheimatet in Hoya, touren mit dem
Format „Kulturgottesdienst“ auch durch andere Kirchengemeinden,
treten aber auch in Cafés oder auf Festivals auf.

Im Vorfeld des Gottesdienstes hatte Pastor Kopp darüber informiert,
dass man sich für ein Thema entschieden habe, welches einerseits in
zeitlichem Zusammenhang mit dem Gedenken an die Reichspogromnacht am
9. November stehe, andererseits aber auch an Aktualität nichts
verloren habe. Es ging um die Zeit des Nationalsozialismus. Helmuth
James von Moltke war ein Gegner der Nationalsozialisten. Auf seinem
Gut Kreisau hatte er Gleichgesinnte versammelt. Gemeinsam bildeten sie
eine zivile Widerstandsgruppe, die darüber nachdachte, wie ein
besseres und demokratisches Deutschland nach der NS-Herrschaft
aussehen könnte. Anders als die Gruppe um Claus Schenk Graf von
Stauffenberg lehnte Moltke dabei die Anwendung von Gewalt ab.
Stattdessen erwarteten er und seine Mitstreiter, dass das NS-Regime
von innen heraus zusammenbrechen werde. Trotzdem wurde er im Januar
1944 von der Gestapo verhaftet. Im Januar 1945 stand er vor Gericht.
Der berüchtigte Richter Roland Freisler verurteilte auch ihn zum
Tode. Das Urteil stand schon vorher fest. Moltke selbst brachte es in
einem seiner letzten Briefe an seine Frau auf den Punkt: „Wir werden
gehenkt, weil wir zusammen gedacht haben.“

In der Haftanstalt Tegel wartete von Moltke auf seinen Prozess vor dem
Volksgerichtshof. Fast täglich schrieb er einen Brief an seine Frau
Freya und von ihr erhielt er ebenfalls regelmäßig Post. Dass die
Briefe ihre Adressaten überhaupt erreichen konnten, sei dem
Gefängnispfarrer zu verdanken gewesen, erfuhren die Besucher in der
Barrier Kirche. Er schmuggelte die Schreiben an den Kontrollen vorbei
und blieb dabei unentdeckt.

Die Briefe hat Freya von Moltke zeit ihres Lebens aufbewahrt. Den
Inhalt einiger dieser Briefe trugen Sabine Berkefeld und Pastor
Schwarz im Gottesdienst mit viel Einfühlungsvermögen und
Sensibilität vor. Wobei Berkefeld den Part von Freya von Moltke und
Schwarz den von Helmuth James von Moltke übernahm.

Berührt und gefesselt lauschten die Gottesdienstbesucher den
Vortragenden. Die Briefe dokumentieren das Leben in der Gefangenschaft
mit allen Hoffnungen und Bangen und das tägliche Leben zu Hause in
Kreisau. Trotz der drohenden Hinrichtung sind die Inhalte der Briefe
von der großen Liebe und Nähe beider Eheleute geprägt. Welche Kraft
daraus erwächst, spiegeln sich die Eheleute in ihren Briefen wider.
Genauso tauschen sie sich über ihren tiefen Glauben und ihr Vertrauen
auf Gott aus und den Trost, der sie beide daraus stärkt. Die
Vortragenden endeten nach gut 90-minütiger Lesung mit der Nachricht
über den Tag der Hinrichtung und schalteten dann ihre Leselampen
passend zu dieser Situation aus.

Unterbrochen wurden die beiden Protagonisten nur durch die Orgel und
den Gesang der Kirchengemeinde. Sie intonierten die Strophen der
Chorals „O Haupt voll Blut und Wunden“. Auch ein Beweis der guten
inhaltlichen Abstimmung mit dem Vortragsthema.

Die Darbietung hinterließ bei den Besuchern einen großen Eindruck.
Wobei Pastor Kopp nicht nach dem Zitat von Bertolt Brecht „Wir
stehen selbst enttäuscht und seh‘n betroffen/Den Vorhang zu und
alle Fragen offen“ handelte, sondern die Kirchengemeinde noch zu
einem Glas Wein und Wasser einlud, um sich so mit den Darstellern und
Organisatoren des Kulturgottesdienstes austauschen zu können.

Norbert Lyko