Marilyn - Ein Kulturgottesdienst

Es gibt viele Vorurteile über die evangelische Kirche - dass es da um schöne Frauen geht, gehört allerdings nicht dazu. Diese Lücke schließen die Kulturgottesdienste am 15.Dezember im Kloster Schinna

Die Hannoveraner Sängerin und Fotokünstlerin Sabine Berkefeld schlüpft in die Rolle und Kleider der Marilyn Monroe und zeichnet mit ihren Liedern das Lebensthema der großen Diva nach. Die Monroe war der größte Star Hollywoods der 50er Jahre und verkörpert wie keine andere den Glanz und Glamour der Traumfabrik. Ihre Kindheit verbrachte sie in Waisenhäusern und ständig wechselnden Pflegefamilien und die Suche nach einem Weg, geliebt zu werden, begleitete sie durch ihr Leben und spiegelte sich in ihren Liedern und Leben wieder. Sie war 1953 das erste Covergirl des Playboys, drei Ehen scheiterten daran, dass die Männer den Zwiespalt zwischen der Frau und der Ikone, die sie darzustellen versuchte, nicht zu überbrücken vermochten. Eine Affäre mit dem amerikanischen Präsidenten wird ihr nachgesagt, doch all ihre Versuche, um ihrer selbst willen geliebt zu werden,  münden in ihrem Ausspruch: "In Hollywood zahlt man dir tausend Dollar für einen Kuss und fünfzig Cents für deine Seele."

Pastor Florian Schwarz, der seit 2006 Kulturgottesdienste hält, kam bei einem gemeinsamen Auftritt im Nienburger Kulturwerk mit Sabine Berkefeld und dem Pianisten Erik Ragul auf die Idee, einen Gottesdienst über das Leben der Monroe mit den beiden zu halten. Zu einem hat ihm die Zusammenarbeit mit den beiden Musikern große Freude bereitet, zum anderen sieht er, passend zum Reformationstag am kommenden Montag, in der Liebesbedürftigkeit der Diva auch das Lebensthema Martin Luthers. „Nur hat Luther irgendwann für sich erkannt, dass der Weg, den die Monroe gewählt hat, zum Scheitern verurteilt ist“, verrät der Theologe vorab. Sowohl Monroe, als auch Luther wählen einen radikalen Schritt angesichts ihres Scheiterns, sich Liebe zu verdienen. Während der Reformator die Spaltung der Kirche auf sich nimmt, setzt die Monroe ihrem Leben selbst ein Ende.

 Für den Kulturgottesdienst hat Pianist Erik Regul die Lieder, die ursprünglich für eine Big-Band komponiert waren, neu arrangiert und Sabine Berkefeld haucht den Melodien neues Leben ein. Die Gottesdienstbesucher erwartet, trotz des ernsten Themas, ein unterhaltsamer Abend mit diamonds are a girls best friend, My heart belongs to daddy und weiteren Liedern der bekanntesten Blondine der Geschichte.

 


Vielen Dank an Sabine Berkefeld von prinzenstudio.de für die wunderbaren Bilder

 

 

 

Predigt

 

 

 

Es geht heute nicht um Marilyn Monroe.

 

 

 

Es geht heute um eine andere Frau.

 

 

 

Norma Jeane Mortenson, geboren am 1. Juni 1926 in Los Angeles.

 

Und schon ihr Geburtsname zeichnete ihr Lebensdrama vorweg.

 

Mortenson war der Name des zweiten Ehemanns ihrer Mutter. Der biologische Vater aber war ein gewisser Charles Gifford, eine kurze Affäre der Mutter. Getauft wurde sie dann auf den Namen Norma Jeane Baker, den Namen des ersten Ehemanns der Mutter. Das wollte die Großmutter so, um die nichteheliche Geburt ihrer Enkeltochter zu vertuschen.

 

Nicht einmal ein halbes Jahr war die alt, als sie getauft wurde und hatte schon den dritten Namen. Noch vor dem ersten eigenen Schritt und dem ersten selbstgesprochenen Wort drei Namen die jeweils Zuschreibungen und Erwartungen zu erfüllen hatten.

 

 

 

 

 

Doch damit war es nicht vorbei. Die Mutter war überfordert und gab ihr Kind zu Pflegeeltern. bei den Bolenders, einer sehr frommen Familie wuchs Sie auf, und sie hielt sich die ersten 7 Jahre ihres Lebens für deren leibliches Kind. Name Nummer vier.

 

 

 

1933 holte ihre Mutter sie wieder zu sich und sie wurde aus der behüteten Kindheit bei den Bolenders herausgerissen. Nur ein Jahr blieb sie dort, bis ihre Mutter an Schizophrenie erkrankte. Eine Abfolge von Pflegefamilien folgte, bis Grace McKee, eine Freundin der Mutter die Fürsorge für die nun 8jährige Norma Jeane übernahm.

 

Ein Jahr später heiratete die jedoch und schickte Norma Jeane für zwei Jahre in ein Waisenhaus.

 

 

 

Als sie zurück zu dieser Pflegemutter kam, kam es zu Zudringlichkeiten vonseiten des Ziehvaters und das Kind wurde an eine entfernte Verwandte weitergereicht.

 

Sie war noch nicht ganz 12 Jahre alt, als sie dort von einem Cousin vergewaltigt wurde. 1938 wurde sie abermals weitergereicht. Diesmal zu Ana Lower, der Tante von Grace Mc Kee.

 

 

 

 

 

„Ana war der einzige Mensch, der mich wissen ließ, was Liebe bedeutet“, sagte Norma Jeane später im Rückblick über diese Zeit und sagt damit alles aus über die ersten 12 Jahre ihres Lebens. Und auch über den restlichen Teil ihres Lebens.

 

Nicht einmal drei Jahre blieb sie dort, bis gesundheitliche Probleme der Ziehtante dieser Zeit ein Ende setzte.

 

 

 

Und so kehrte sie zur Familie von Grace McGee zurück.

 

 

 

Und nach einem Jahr zog die Familie um ohne Norma JEane mitnehmen zu wollen. Um ein erneutes Waisenhaus zu verhindern, heiratete Norma Jeane zwei Wochen nach ihrem 16. Geburtstag den 21jährigen Nachbarn.

 

 

 

Der wurde kurz darauf in den zweiten Weltkrieg eingezogen und Norma Jeane zog zu seiner Familie. Die Schule musste sie abbrechen, da an dieser Schule keine verheirateten Minderjährigen geduldet wurden.

 

 

 

Ich weiß nicht wie es ihnen geht, aber ich habe den Überblick verloren, wie oft diese junge Frau weitergereicht wurde.

 

 

 

Wieder und wieder

 

und wieder die Erfahrung, dass sie nicht genug ist, um bei irgendjemanden bleiben zu dürfen.

 

Ohne Schulabschluß, der Ehemann im Krieg, fand sie eine Anstellung in der Rüstungsindustrie. Und in dieser Waffenfabrik wurde sie entdeckt von einem Fotografen.

 

 

 

Am 4. November 1944 erschien das erste Photo von ihr im Magazin Yank. Der Wendepunkt in ihrem Leben.

 

Ein Jahr später hatte sie ihren ersten Modelvertrag und 1946 war sie zum erstenmal auf dem Titel einer überregionale Zeitschrift zu sehen.

 

 

 

Auf Anraten der Agentur färbte sie die Haare blond und ließ ihre Locken glätten. Sie bekam einen Vertrag beim Film. Doch eine Bedingung des Vertrages war, dass sie unverheiratet sein sollte. Ihr Ehemann hieß die Modelkarriere eh nicht gut und so ließ sich Norma Jeane scheiden. Und einen neuen Namen bräuchte sie auch.

 

Den Vornamen suchte der Agent aus, obwohl ihr selbst der nicht zusagte. Als Nachnamen wählte sie den Geburtsnamen ihrer Mutter.

 

Und damit war Marilyn Monroe geboren.

 

Und was war mit Norma Jeane? Oder war das etwas wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird? Und die Raupe gibt es dann nicht mehr?

 

Der Schmetterling wurde perfektioniert: Die Haare noch blonder, der Haarschnitt verändert, die Zähne korrigiert. Was der Agent halt vorschrieb um Marilyn noch begehrenswerter zu machen.

 

Und es funktionierte. Die Karriere ging steil nach oben. 1950 die erste Hauptrolle, Und 1952 der erste Skandal, als in einem Kalender, der unter der Ladentheke verkauft wurde, ein Nacktbild von ihr gezeigt wurde.

 

In den prüden 50er Jahre hätte das das Ende der Karriere bedeuten können. Sie rettete sich mit Schlagfertigkeit:

 

„Es stimmt nicht, dass ich nichts an hatte. Ich hatte das Radio an“

 

Und damit war das Bild komplett: Schön, sexy, schlagfertig. Marilyn wurde geliebt dafür.

 

 

 

Endlich. Endlich bekam sie das, wonach sie sich ihr Leben lang als Norma Jeane gesehnt hat. Geliebt zu werden. Nun rissen sich die Menschen um sie. Endlich lag das Nicht-gewollt-sein, das weitergereicht-werden, hinter ihr.

 

Was für ein wunderbares Happy End.

 

 

 

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Aber wir Menschen sind keine Raupen, die ihr altes Ich ablegen können und als Schmetterling weiterleben.

 

Für die Welt gab es nur Marilyn. Und Norma Jeane?

 

Diese junge Frau musste erkennen, dass sie nur geliebt wird, wenn sie etwas dafür tut. Wenn sie sich verwandelt. Nicht aber um ihrer selbst willen.

 

 

 

Ihr zweiter Mann ertrug den Erfolg seiner Frau nicht. Und ihr dritter Mann, der Schriftsteller und Pulitzerpreisträger Arthur Miller sah in ihr nur ein naives, unselbstständiges kleines Mädchen. Als Sie sein Tagebuch las und entdeckte, wie er über sie denkt, ging auch diese Beziehung in die Brüche.

 

 

 

Sie holte im Selbststudium viel Wissen nach, dass ihr durch den erzwungenen Schulabschluss verwehrt geblieben war. Nur selten sah man sie in Drehpausen ohne ein Buch. Sie arbeitete beständig an ihrem Schauspieltalent und perfektionierte das Method-acting. Doch Hollywood wollte von ihr keine ernsthafte Schauspielerin sondern nur das blonde unbedarfte Blondchen.

 

 

 

Erst gegen Ende ihres Lebens erkämpfte sie sich Charakterrollen.

 

 

 

Man muss sich die Liebe verdienen. Umsonst gibt es die nicht. Und der Preis für Norma Jeane war die völlige Selbstaufgabe und ein Einrichten in ein Leben, das bestimmt war von Erwartungen und Zuschreibungen.

 

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450 Jahre bevor die Monroe Hollywood eroberte, saß ein Mönch bei seinem Beichtvater. Voller Mitleid hörte Johann von Staupitz die Nöte des beichtenden Martin Luthers. Voller Angst war der junge Mönch vor Gott. Er würde nicht genügen, außerstande sah er sich, die Erwartungen, die Gott an ihn stellen würde, zu erfüllen.

 

In den am strengsten geführten Orden ist er eingetreten, geißelte sich selbst bis aufs Blut und fastete bis zum Verhungern in dem verzweifelten VErsuch sich die Liebe Gottes zu verdienen.

 

 

 

Und was und wie er es auch sagte, so vermochte der Beichtvater diese Nöte nicht aufzufangen. Zu fest saß die Überzeugung in Luthers Kopf, dass Gott ihn nur dann gnädig sei, ihn nur dann lieben würde, wenn er genug dafür tun würde um sich diese Liebe zu verdienen.

 

Viele Jahre litt Luther darunter wie ein Hund und verging in Angst vor der Hölle, denn nichts was er tat, schien genug, sich die Liebe Gottes zu verdienen.

 

 

 

Bis er erkannte, dass das nicht funktioniert. Das nichts, was wir Menschen tun könnten, genug ist um sich die Liebe Gottes zu verdienen.  

 

 

 

1953 drehte Marilyn Monroe die Komödie Blondinen bevorzugt.

 

In einer Szene singt sie dabei das Lied: Diamonds are a girls best friend.

 

Hört man den Text vor dem Hintergrund ihrer Lebensgeschichte wird es bitter:

 

Als wäre der Song ein Schlußstrich unter ihrem Leben als Norma Jeane. Vorbei mit der Sehnsucht danach geliebt zu werden. Denn darauf kann man sich nicht verlassen.

 

 

 

Sie setzt in dem Lied nicht mehr darauf, je um ihrer selbst willen geliebt zu werden und, sondern ganz und gar auf die Leistung und das „sich-verdienen“, solange es nur geht und solange es Bestand hat.

 

 

 

Sie singt in diesem Lied davon. Und sie rät jungen Mädchen dazu, auf das zu setzen, was wirklich Bestand haben wird. Diamanten.

 

 

 

Und die kriegt man von Männern, solang man hübsch ist und jung. Nimm die Diamanten anstatt des Gefühls wirklich um deiner selbst willen geliebt zu werden, denn

 

Men grow cold

 

As girls grow old,

 

 

 

In diesem Lied setzt die Sängerin darauf, den Deal zahlen können anstatt auf die Liebe. Und ebenso klar benennt sie, dass die Männer nur dann etwas für sie seien, wenn sie auch die Diamanten rausrücken.

 

 

 

Eine Konsequenz, die der Martin Luthers in nichts nachsteht.

 

Und eine Konsequenz die ihren Preis hat. Den Zwiespalt zwischen Norma Jeane und Marilyn auszuhalten ertrug sie schon lange nur mit Hilfe von Tabletten. Sie überschritt die Dreißig, und angesichts nachrückender Starletts wusste sie, dass die Tage, in denen sie sich die Liebe und Achtung der Welt mit ihrer Rolle als Marilyn würde verdienen können, gezählt waren.

 

 

 

Und am 4. August 1962 setzte sie ihrem Leben mit einer Überdosis Barbituraten ein Ende. Der Mythos Marilyn Monroe hat diesen Tag überlebt. Norma Jeane nicht.

 

 

 

 

 

Liebe Gemeinde,

 

 

 

Könnten sie den Preis benennen?

 

Wieviel ist es ihnen wert, geliebt zu werden?

 

 

 

Oder auch andersrum, wieviel muss man ihnen zahlen, um von Ihnen geliebt zu werden. Ganz egal in welcher Währung.

 

Was muss ihr Mann, was muss ihre Frau aufbieten, damit sie oder er von Ihnen geliebt wird?

 

 

 

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Und andersherum: Wollen Sie mit jemandem zusammenleben, der sie nur dann liebt, wenn sie einen benennbaren Preis dafür zu zahlen bereit sind?

 

Oder noch schlimmer, der sie nur dann liebt, wenn sie diesen benennbaren Preis dafür zu zahlen in der Lage sind.

 

 

 

Es sind nicht unbedingt glückliche Ehen, die auf diesem System aufbauen. Für keine der beiden Seiten.

 

 

 

 

 

Ich habe Frauen kennengelernt, denen die soziale Stellung und die Finanzen eines Mannes unglaublich wichtig sind. Und dann geht die Firma des Mannes pleite. Und damit war´s das für die eine Seite in der Beziehung. Oder Männer, die mit einer Frau zusammen sind, weil sie einen jungen, schönen Körper haben. Ein Accessoire und Statussymbol.

 

 Und wenn Alter und Schwerkraft ihre Wirkung zeigen, dann schaut man sich halt wieder nach etwas neuem und knackigerem um.

 

 

 

36 Jahre alt wurde Norma Jeane.

 

34 Jahre alt war Martin Luther als er seine Erkenntnis hatte, dass man sich die Liebe Gottes nicht verdienen kann.

 

Doch blieb es für Luther nicht bei diesem Eingeständnis. Denn er erkannte, dass das Verdienen von Liebe selbst ein Irrweg ist.

 

 

 

Liebe bekommt man geschenkt. Einfach so. Um seiner selbst willen und nicht dafür, dass man sie sich verdienen könnte.

 

 

 

Luther hat für diese Erkenntnis einen hohen Preis gezahlt. Der Reichsbann wurde über ihn verhängt und er für vogelfrei erklärt. Doch Luther hielt unbeirrbar an dieser neuen Freiheit fest:

 

Gottes Liebe verdienen wir nicht. Gottes Liebe bekommen wir geschenkt.

 

 

 

 

 

Ach, wenn es doch nur so einfach wäre, darauf zu vertrauen.

 

 

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen